Mode 1930 - Madeleine Vionnet und der Schrägschnitt

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise machten sich in allen Bereichen bemerkbar. Die Arbeitslosigkeit stieg, längst war die Drei-Millionen-Grenze überschritten. Bis zum Jahresende waren es mehr als vier Millionen Menschen, die ohne Arbeit waren, nur durch Gelegenheitsjobs versuchten, für sich und ihre Familie zu sorgen. Modisches Interesse konnten sich die meisten Frauen nicht mehr leisten. Kleidungsstücke hatten deshalb eine lange Lebensdauer. Ein Neukauf war nur sehr wenigen Menschen vorbehalten.
Dennoch gab es gerade in Sachen Mode eine Frau, die mit ihren Entwürfen bereits im Jahrzehnt zuvor auf sich aufmerksam gemacht hatte und für die die dreißiger Jahre zum Erfolgsjahrzehnt werden sollten: Madeleine Vionnet, eine französische Modeschöpferin, kleidete schon jahrelang reiche und berühmte Persönlichkeiten ein. Die inzwischen 54jährige leitete in Paris seit 1912 ein eigenes Modegeschäft. Sie war eine echte Künstlerin. Der Schrägschnitt hatte in ihr seine Meisterin gefunden. Madeleine Vionnet hatte schnell erkannt, dass die Zeit der Vamps und der androgynen Damenmode vorüber war. Sie ging mit fließenden Silhouetten und weiblich-eleganten Modellen ins neue Jahrzehnt und bediente die Sehnsucht der Frauen nach Schönheit und Geborgenheit.
Vionnets Schrägschnitte beeinflussten zunehmend die Formen der Röcke, die mit einfach geschnittenen Oberteilen getragen wurden. Dekorativer Aufputz fand sich zumeist nur bei den Kleidern für den Nachmittag. Kragen und Jabots aus edlen Spitzenmaterialien blieben der Abendgarderobe vorbehalten. Das Abendkleid war lang und hatte meist einen figurbetonten Schnitt, der mitunter durch eine hohe Taille im Directoire-Stil zusätzlich betont wurde. Bevorzugte Materialien waren Spitze, glänzendes Satin oder feiner Samt. Im Gegensatz zu diesem „Sirenenkleid“, das der Mode des ausgehenden 18. Jahrhundert, dem Directoire, entlehnt war, gab es wahlweise das Tanzkleid. Hier gaben mehrere Volant-Reihen aus Tüll, Spitze oder Taft dem weiten Rock das Aussehen eines Modells im Stil der letzten französischen Monarchin, Kaiserin Eugénie, die 1920 verstarb. Die Abendkleider waren wundervoll anzusehen. Charakteristisch waren in jedem Fall die Dekolletés und die tiefen, nach antikem Vorbild gerafften, Rückenausschnitte. Schmal und apart; so empfahl man den Damen die Abendgarderobe. Während dies in der Fachpresse als selbstbewusst gelobt wurde, stand dem die Befürchtung gegenüber, das Korsett könne zurück kehren. Es kehrte tatsächlich zurück, aber in modernisierter Form. Es war aus elastischem, gummilastigem Material, deformierte den Körper nicht, sondern korrigierte die Optik. Es hatte bereits den beginnenden Schick eines Dessous.
Die Tagesgarderobe wurde von Kleidern bestimmt, die meist mit einem kleinen Rückencape ausgestattet waren. Auch das Bolerojäckchen gehörte alternativ zur Alltagsmode und komplettierte ein Kleid. Die hohe Taille galt als besonders modisch. Sommerkleider ohne Ärmel waren nur selten zu sehen. Frau bevorzugte Volant- und Flügelärmel, die eine unschuldige Verspieltheit erkennen ließen.
In der Herrenmode war der Hut ein Muss. Er war der I-Punkt zur figurbetonten und sehr eleganten Kleidung, in der die gepolsterten Schultern am stärksten zur Geltung kamen. Der breitschulterige Mann hatte eindeutig eine Beschützer-Optik aus Kraft und Charme. Diese Optik wurde noch dadurch gesteigert, dass die Taille nur leicht betont war, das Sakko hüftlang und anliegend war. Die langen und breiten Revers trugen zusätzliche zur Schulterbetonung bei. Der Mann sah groß und stattlich aus. Der Abendgarderobe war der Anzug mit doppelter Knopfreihung vorbehalten, während tagsüber der Einreiher favorisiert wurde. Wichtigster Aufputz war das weiße Stecktuch in der Brusttasche. Die Hosen waren weit und gerade geschnitten. Sie hatten meist einen breiten Saumumschlag. Blau, Grau und verschiedene Muskatfarben lagen im Trend, ebenso die dezent gemusterten Stoffe mit feinen Streifen. Für sportliche Anlässe trug Mann den Knickerbocker. Er galt als besonders lässig und setzte sich immer mehr durch.
Während der größte Teil der Bevölkerung darauf bedacht sein musste, das harte Leben zu meistern, brachen die Wohlhabenden zu ihren liebsten Urlaubszielen auf. Das war St. Moritz im Winter, das war Florida im Sommer. Mehr als 170 Passierschiffe verkehrten zwischen New York und Europa. Die Mode und das Reisen waren Träume, die sich der kleine Mann nicht leisten konnte. Ihm blieben stattdessen die Comedian Harmonists, die nicht nur der Veronika verkündeten, dass der Lenz da war. Immerhin.(MB)

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