Mode 1938 - Kreative Details

Das neue Jahr war wie ein Aufatmen. Als hätte man im Jahr zuvor die Luft angehalten, wurde man nun wieder etwas mutiger. Wenigstens in der Mode. Es wurde Frühling und die Kleidung wurde bunter. Blau, Rot, sonniges Gelb, Braun- und Karamell-Töne waren die angesagten Farben. Mut zur Farbe bedeutete, Mut zur Mehrfarbigkeit. Die ansonsten übliche Zweifarbigkeit hatte vorerst ausgedient.
Grund zur Freude hatte auch der Reichskanzler Adolf Hitler, dessen Triumph es war, Österreich kampflos in das Deutsche Reich integriert zu haben. Zudem hatten Frankreich und Großbritannien nichts gegen seinen Einmarsch in die sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei einzuwenden.
Selbst wenn sich die Modemacher über die Betonung und den Sitz der Taille nicht ganz einig waren; so hob Frau dessen ungeachtet ihre Figur hervor und folgte ihrem eigenen Stilgefühl. Die Röcke trug Frau inzwischen gern etwas kürzer. Der Saum bedeckte zwar immer noch das Knie, aber längere Röcke verschwanden allmählich aus dem Alltagsbild. Es waren keine großen Neuerungen, mit denen die Modewelt ihre Kreativität ausdrückte. Der Einfallsreichtum zeigte sich an Details, die dem dekorativen Aufputz der Kleidung dienten, ohne dass es viel kostete. Auch die Kleider der Haute Couture werden derart verändert. Schmucksteine, bunte Federn oder Blumen trugen zur raffinierten Erneuerung der Garderobe bei. Die Silhouette blieb davon unberührt und auch die Materialien waren dieselben wie im Jahr zuvor. Doch die Kleidung hatte an Strenge verloren und Frau war’s zufrieden. Kleinigkeiten hatten eine große Wirkung verursacht, umso mehr, als die verschiedenen Falten-Variationen um die Frauen- und Mädchenbeine spielten. Die Mode des Frühjahrs stand ganz im Zeichen von jugendlichem Charme. Beschwingtheit lag im Trend. Auch die Abendmode wurde davon mitgerissen. Von der üppigen Eleganz des Rokoko inspiriert, wurde sogar das Dekolleté freizügiger. Die Schultern blieben unverhüllt. Zur Verarbeitung kamen nur edle Materialien. Die Tageskleider beeindruckten durch Ornament-Muster. Außerdem erfreuten sich gepunktete, karierte und gestreifte Stoffe großer Beliebtheit. So unbedeutend die Veränderungen schienen; ihre Wirkung war enorm. Die Mode strahlte Zuversicht aus. Und die Auswahl an Hüten war riesig. Für jedes Wetter und für jede Stimmung fand Frau einen passenden Hut zur Kleidung.
Die deutschen Modemacher präsentierten für den Herbst und den Winter Klarheit in Silhouette und Material. Sie empfahlen gedeckte Farben. Der Aufputz hatte unaufdringlich zu sein und die Kleider wurden aus Jersey oder Wollstoffen gefertigt. Mit der Buntheit des Frühjahrs war es im deutschen Modeherbst vorbei. Es wurden aus Kostengründen auch sogenannte Verwandlungskleider befürwortet. So konnten die Damen aus einem Strandanzug, zu dem sie eine kurze Hose trugen, einen Rock ergänzen und das Ensemble damit zu einem Tageskleid machen. Der sportliche Charakter dieser Kleidung blieb erhalten. Auch hier wurden dezente Farben favorisiert. Bunte Jacken, wie sie ausländische Modemacher vorstellten, wurden an deutschen Frauen nicht gern gesehen.
In der Männermode bestimmte weiterhin das Konservative die Kleidung. Auflockerungen wurden durch sparsame, hauptsächlich sportliche Accessoires erreicht. Ein Halstuch oder ein Gürtel genügten mitunter, um dem modischen Bild zu entsprechen. Das empfohlene Frühjahrs-Hemd war zwar farbig, aber dennoch nicht auffallend, doch es galt, den Farbton des Anzugs zu treffen. Dafür durfte sich die Krawatte durch ein Streifenmuster in den Vordergrund setzen. Zu gehobenen Anlässen wurde ein dunkler Anzug getragen. Besonders modisch wirkte er mit feinen Streifen. Ein weißes Hemd mit einem steifen Kragen gehörte unbedingt dazu, ebenso ein Hut.
Was im Frühjahr so farbenfroh begonnen hatte, wurde in einer Herbstnacht zunichte gemacht. Obwohl die Vorzeichen deutlich waren, hatten die Menschen sie nur zum Teil ernst genommen. Wer hätte sich aber auch so viel Grausamkeit vorstellen können, wie sie in der Reichskristallnacht zur Realität wurde? Der 9. November 1938 wurde ein historisches Datum rassistischen Terrors. Tausende Juden wurden erbarmungslos niedergemetzelt, Synagogen wurden angezündet, keine Fensterscheibe eines jüdischen Geschäftes blieb verschont. Die Verwüstungen überschatteten alles, was den Juden bisher angetan worden war. In dieser Nacht hatten die Nazis ihr Gesicht ungeschminkt gezeigt. Was für ein Zynismus, wenn man dann im Kino das beliebte Lied aus dem Film „Tanz auf dem Vulkan“ hörte: „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da...“(MB)

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